Belassung des Obelisken in der heutigen Form - Stellungnahme
Der Vorstand des Förderverein Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne e.V. ist bei seiner Vorstandsitzung am 07.04.2011 zu folgendem Beschluss gekommen:
"Belassung des Obelisken in der heutigen Form. Seine Geschichte wird an exponierter Stelle in Form einer oder mehrerer Tafeln dargestellt. Die Tafeln nehmen in Wort und Bild Stellung und zu dem Denkmal in seiner ursprünglichen Form und der Entwicklung zum heutigen Zustand."
Begründung:
-
Die immer wiederkehrende Feststellung oder Annahme, dass nur "einige" oder auch nur "wenige" orthodoxe Christen auf dem Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegstoter liegen, führt leider ebenso so zur Ansicht, dass das orthodoxe Kreuz nicht die Mehrzahl der auf dem Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegstoter liegenden Toten repräsentieren könnte. Auf Grund zahlreicher Quellen, die den Mitarbeitern der Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne vorliegen, ist diese Ansicht nicht belegbar bzw. spekulativ. Eher ist derzeit die Meinung nachvollziehbar, dass der überwiegende Teil der Toten orthodoxe Christen waren. Ferner sei daran erinnert, dass auch Moslems, Buddhisten, Atheisten auf dem Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegstoter ihre letzte Ruhestätte fanden. Ob Personen mit jüdischem Glauben hier bestattet wurden, ist derzeit nicht eindeutig zu beweisen. Dass Juden im Stalag 326 (VI K) Senne waren, ist unbestreitbar.
-
Haben die Toten und Überlebenden für dieses Symbol bzw. für die Rote Fahne gekämpft? Diese Ansicht ist generalisierend und daher nicht akzeptabel. Diese Meinung suggeriert unter anderem, dass es hierbei um die kollektive Verteidigung eines politischen Systems ging. Jegliche Kritik der ehemaligen Kriegsgefangenen an die stalinistisch geprägte Sowjetunion bleibt völlig unberücksichtigt. Ebenso, dass Stalin alle Kriegsgefangenen als Vaterlandsverräter und Deserteure bezeichnete, s.a. Befehl Nr. 270 vom 16. August 1941. Millionen von befreiten Kriegsgefangenen durchliefen die Filtration und viele von ihnen gerieten anschließend in Gefangenschaft bzw. in die Speziallager Stalins. Welche persönliche Bedeutung das Staatssymbol der UdSSR tatsächlich für jeden sowjetischen Armeeangehörigen hatte bzw. noch heute hat, ist fraglich und spekulativ, besonders unter Berücksichtigung der Erfahrungen in ihrer Heimat bzgl. des o.g. Befehls. Auffällig ist auch, dass die Zwangsrekrutierung von einer bisher unbekannten Größe von Armeeangehörigen völlig undiskutiert bleibt. Ferner bleibt unberücksichtigt, dass mehrere zehntausend Rotarmisten dem Aufruf der orthodoxen Kirche folgten, d.h. Metropolit Sergij rief am Tag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion alle Gläubigen dazu auf, den Kampf für das Vaterland aufzunehmen. Aufgrund der Entstehungsgeschichte der Sowjetunion bzw. der politischen Entwicklung in der damaligen Sowjetunion ist der Begriff "Vaterland" nicht für alle Bürger der damaligen Sowjetunion gleichwertig. Warum jemand in der Roten Armee kämpfte oder kämpfen musste ist nicht nachweisbar.
-
Die Überlebenden oder die Erbauer des Obelisken fordern bzw. wünschen sich die Rote Fahne zurück? Auch hier wird der Eindruck vermittelt, dass es Konsens unter den ehemaligen Kriegsgefangenen des Stalag 326 (VI K) bzgl. der Diskussion um die Wiederanbringung Roten Fahne gäbe. Auch dieses Argument ist verallgemeinernd und deshalb inakzeptabel. Wie viele Überlebende fordern denn die Rote Fahne wieder zurück? Und können oder dürfen einige Überlebende als repräsentativ für alle noch Überlebenden und Toten des Stalag 326 (VI K) gelten? Und möchten sie das überhaupt? Die Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne hat derzeit zu fast 60 ehemaligen Kriegsgefangenen des Stalag 326 (VI K) Kontakt aufgenommen. Keiner dieser Überlebenden ist bisher in die Diskussion um die Rote Fahne involviert. Was geschähe denn, wenn jetzt die Rote Fahne wiederkäme und ehemalige Kriegsgefangene, die bisher noch nicht befragt wurden, die Abnahme der Roten Fahne forderten? Wenn die Meinung der Überlebenden des Stalag 326 (VI K) bei der Diskussion um die Wiederanbringung der Roten Fahne entscheidend sein soll, dann wäre es doch nur richtig und nachvollziehbar, wenn alle Überlebenden des Stalag 326 (VI K) nach ihrer persönlichen Meinung befragt würden. Es gibt derzeit keine Mehrheitsmeinung der Überlebenden.
-
Bei der Diskussion um die erneute Anbringung der Roten Fahne ist es nicht ausreichend, dass nur die russische Regierung nach ihrer Meinung gefragt wird. Zwar steht auf dem Obelisk die Bezeichnung "russische Soldaten", dennoch sollte daran gedacht werden, dass die ehemalige Sowjetunion bis Anfang der 1990er Jahre eine Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken war. Daher handelt es sich bei den Toten auch um Opfer aus den Nachfolgestaaten, d.h. Ukrainer, Weißrussen etc. Warum man sich damals nicht für die Nennung "sowjetische Soldaten" entschieden hat, ist unklar. Aufgrund dessen sollen die Regierungen der souveränen Nachfolgestaaten bei der dieser Entscheidung nicht unbefragt bleiben. Ebenfalls sollte die orthodoxe Kirche in die Diskussion mit einbezogen werden.
-
Der Obelisk auf dem Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegstoter ist hinsichtlich seiner Geschichte einmalig, dennoch ist Wahl eines Obelisken und ähnlicher Formen auf sowjetischen Kriegsgräberstätten nicht ungewöhnlich. Besonders die Anbringung von roten Sternen und/oder der Fahne der UDSSR und ähnlichen Symbolen ist bei allen Gedenksteinen, Mahnmale oder Erinnerungsmonumenten nachweisbar. Deshalb ist die These berechtigt, dass eine Gruppe von befreiten Kriegsgefangenen zwar den Obelisken baute aber bei der Gestaltung Vorgaben hatte. Dieser Frage wird zurzeit nachgegangen.
-
Ebenso sollte bei der Diskussion das Schreiben des damaligen Amtsdirektors der Gemeinde Schloß Neuhaus mit einbezogen werden: "Wir hatten vorgeschlagen, das reparaturbedürftige Denkmal zu entfernen und ein neues einfaches wieder zu errichten. Da gegen diesen Plan Bedenken bestanden, wollten wir die Reparatur des Denkmals vornehmen unter Fortlassung der Inschriften und sowj. Embleme. Wir hatten diese Art Reparatur fast durchgeführt und an Stelle der sowj. Sterne das griechische Balkenkreuz gesetzt, als die russische Kommandantur bei den englischen Dienststellen Einspruch einlegte. Es kam zu einer Verhandlung an Ort und Stelle zwischen englischen und russischen höheren Offizieren, dem britischen Residenten und deutschen Regierungsvertretern mit dem Ergebnis, dass die Inschriften und Embleme wieder angebracht werden mussten. Die einzige wesentliche Änderung ist die, dass auf der Spitze das Griechenkreuz steht." Wie die Vereinbarung letztlich zustande kam, ist heute nicht mehr nachweisbar.
-
Die Befürworter der Roten Fahne beziehen sich wiederholt darauf, dass Gäste aus dem In- und Ausland und ehemalige Kriegsgefangene die Anbringung der Roten Fahne wünschten bzw. forderten. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass Besucher und Besucherinnen aus dem In- und Ausland der Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne, Familienangehörige, ehemalige Kriegsgefangene und politische Vertreter aus Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Wiederanbringung der Rote Fahne verneinen. In vielen Fällen ist die Ablehnung eindeutig bzw. ist die Diskussion darum unverständlich und wird oftmals als unwichtig eingestuft. Es ist viel wichtiger, dass der Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegstoter gepflegt ist. Besonders den Familienangehörigen geht es darum, dass ihre Angehörigen eine letzte und gepflegte Ruhestätte haben. Seit Eröffnung der Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne hat noch kein Besucher am Kreuz auf dem Obelisken Anstoß genommen. Botschaftsvertreter aus der Ukraine und aus Usbekistan äußerten sich während des Antikriegstages sehr kritisch über die Anbringung einer roten Fahne auf dem Obelisken.
Keinerlei Beanstandung gab es bisher bei Gruppen von Kriegsveteranen aus Weißrussland am Obelisken. Beim Arbeitsbesuch einer Expertengruppe nach dem Veteranenbesuch wurde ebenfalls keine Kritik am Kreuz auf dem Obelisken geäußert. Ebenso hat sich im letzten Jahr der stellvertretende russische Innenminister nicht kritisch zu dem orthodoxen Kreuz geäußert. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Erfahrungen der Befürworter und die Bitten und Forderungen Einzelner nicht ausreichend sind, d.h. andere Meinungen und Erfahrungen werden erst gar nicht angeführt und zur Diskussion gestellt.
-
Die Meinung, dass durch die Wiederanbringung der Roten Fahne der Originalzustand des Obelisken erreicht wird, ist inakzeptabel. Wie die Fotos in der Veröffentlichung von Oliver Nickel "Der Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegstoter in Stukenbrock-Senne" (Seite 16, 17 und 18) deutlich belegen, hat sich die ursprüngliche Form des Obelisken aufgrund der mehrfachen Renovierung verändert. Besonders der ehemals untere und treppenartige Teil wurde durch eine schräg nach unten verlaufende Architektur ersetzt.
-
Für viele Menschen steht die Symbolik der UdSSR für millionenfaches Leid, für ein verbrecherisches Regime der Unterdrückung. Nicht nur unter Stalin wurden unzählige und unschuldige Menschen verfolgt, gefoltert und ermordet. Auch diese Stimmen, wenn auch mittlerweile fast vollständig verstummt, müssen bei der Diskussion um die Wiederanbringung der Roten Fahne gehört und beachtet werden.
-
Die Meinung, dass das orthodoxe Kreuz für die "Kreuzzüge" steht ist indiskutabel. Es gab keine von der orthodoxen Kirche initiierten Kreuzzüge in das Heilige Land. Solche Vergleiche sind geschichtsverfälschend und der Diskussion nicht dienlich. Das orthodoxe Kreuz gibt den orthodoxen Christen ein Gefühl der spürbaren Anwesenheit Gottes. Selbst den meisten Menschen, die nicht gläubig sind, ist die Grundbedeutung des Kreuzes bekannt und sie verbinden mit der Hoffnung auf Auferstehung nichts Negatives. Die Diskussion darf nicht dazu führen, dass das Orthodoxe Kreuz in falsche Zusammenhänge gebracht bzw. negativ aufgeladen wird.